Fachausbildung Mediation SAV

von Corina Bölsterli

Stärken einer auf juristische Berufe ausgerichteten Mediationsausbildung: Die neue Fachausbildung zum Titel Mediator SAV / Mediatorin SAV ist ab 1.1.2022 in Kraft und stösst auf sehr viel Interesse.

1997–1998 fand das erste Angebot des SAV für eine gesamtschweizerische Mediationsausbildung für die Anwälte statt. 2002, wurde der Titel „SAV Mediator“ – „SAV Mediatorin“ erschaffen. Danach wurde auch das Konzept „SAV Fachanwalt / SAV Fachanwältin“ in verschiedenen Rechtsgebieten (Familienrecht, Arbeits- recht, Erbrecht, usw.) erstellt und erlebt.

Das neue Ausbildungsmodell orientiert sich nun weit- gehend an dem „Fachanwalt Reglementen“, womit die Qualität und die Bedeutung des Titels „Mediator SAV“ gesteigert werden. Mit dem Schritt zur Verbesserung der Ausbildungsqualität ermöglicht der SAV seinen Mitgliedern, im Schweiz- und weltweit wachsenden Markt der Methoden zur Prävention, Steuerung und Lösung von Konflikten auch in Zukunft eine wegweisende Rolle zu spielen.

Heutzutage wird die Mediation in der Schweiz bereits in den unterschiedlichsten Gebieten angewendet, zum Beispiel im Familienrecht, bei Erbschaften, in der Gesundheitsbranche, im Vertragsrecht, im Arbeitsrecht und bei internen Konflikten in Unternehmen, bei Fragen zum geistigen Eigentum, im Mietrecht und Baurecht sowie bei Rechtsfragen im Sport. Es sind alles Gebiete, wo der Anwalt über fachliche Kenntnisse verfügt.

Der Zugang zu Wissen, Know-how und Erfahrung („savoir, savoir-faire et savoir être“) zum Thema Mediation als ganzheitliche Streitbeilegungsmethode ist indes nicht nur den Anwältinnen und Anwälten, die selbst als Mediatorinnen bzw. Mediatoren tätig sein möchten, vor- behalten, sondern auch jenen zugänglich, die eine Partei anlässlich eines solchen Verfahrens beraten, sie zu einer Mediation begleiten und ihr in strategischen und ver- handlungstechnischen Fragen beistehen möchten oder etwa effiziente Streitbeilegungsklauseln in statutarische, vertraglichen, oder testamentarische Verfügungen aufnehmen möchten.

Die Mediation wurde zudem als komplementäre Streitbeilegungsmethode für Prozessparteien, Anwältinnen und Anwälte sowie Magistratspersonen in die seit dem 1. Januar 2011 in Kraft stehende einheitliche schweizerische Zivilprozessordnung (ZPO) auf- genommen. Der vorgängigen oder außergerichtlichen Streitbeilegung wurde damit ein wichtiger Stellenwert eingeräumt. Der Bundesrat wies in seiner Botschaft zur ZPO denn auch darauf hin, dass „Die einvernehmliche Lösung eines Problems [...] im Vordergrund zu stehen [hat]“ und dass „Einvernehmliche Lösungen [ ] zumeist nachhaltigere und günstigere Lösungen [bringen], zumal sie auch Gesichtspunkte einbeziehen können, die ein Gericht nicht berücksichtigen dürfte“. SAV Anwältinnen undAnwälte(sowie verwandte juristische Berufe)wollen diesen Paradigmenwechsel nutzen, um Ihre Ausbildung zu stärken und um den Zugang zum Recht zu erleichtern.

Und nicht zuletzt, SAV Anwältinnen und Anwälte unter- stehen den schweizerischen Standesregeln: wenn sie eine Partei vertreten oder beraten, haben sie die Pflicht, nicht nur die Interessen ihrer Mandanten zu fördern, indem sie versuchen, Streitigkeiten gütlich beizulegen, sondern auch Rücksicht zu nehmen auf eine laufende oder eine von den Parteien gewünschte Mediation. Es heisst die SAV Anwältinnen und Anwälte müssen verstehen worum es geht.

Wer SAV Mediator / Mediatorin ist, muss natürlich auch die Richtlinien SAV für die Mediation vom 4. April 2022 folgen, wobei Qualifikation und Fortbildung unentbehrlich sind. Es wird auch die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Mediatorinnen/Mediatoren betont sowie ihre Informationspflichten und den Schutz der Vertraulichkeit im Zusammenhang mit dem Mediationsverfahren. Zusätzlich wird empfohlen, dass die Mediatorin/ der Mediator zu Beginn des Mediationsverfahrens zusammen mit den Konfliktparteien einen schriftlichen Mediationsvertrag abschließen worin auch die Kosten der Mediation festgelegt werden. Schlussendlich wird unterstützt, dass die Konfliktparteien die Schlussvereinbarung oder den Vergleich vor der Unterzeichnung durch außenstehende Fachpersonen, denen die Parteien vertrauen, auf Angemessenheit, Auswirkungen und auf all- fällige Unverträglichkeiten mit gesetzlichen Vorschriften hin überprüfen lassen.

I. Kompetenzen eines SAV Mediators / einer SAV Mediatorin

Ein Mediator muss über einen breiten Fächer von Fähig- keiten und Kompetenzen verfügen, damit er ein für die Mediation geeignetes Setting schaffen kann und sich die Streitparteien auf den Prozess einlassen. Der Anspruch ist hoch und der Fächer breit – er reicht von fachlichen Kompetenzen bis zu emotionalen-, sozialen – und persönlichen Kompetenzen. Einige dieser Kompetenzen können durch Studium und mit viel Fleiß erlernt werden; andere jedoch erfordern eine persönliche Auseinander- setzung, Reflektion und Entwicklung sowie Erfahrungen mit Streitparteien und dem Mediationsverfahren in der Praxis.

Die Kernkompetenzen eines Mediators, auf die im Rahmen der SAV-Ausbildung ein besonderer Schwer- punkt gelegt wird unterscheiden sich in (1) persön- lich-kommunikative Kompetenzen und (2) Fach- kompetenzen.

1. Persönlich-kommunikative Kompetenzen

Bei den persönlich-kommunikativen Kompetenzen geht es darum, dass der Mediator soziale – und emotionale Kompetenzen besitzt, die es ihm ermöglichen, den für die Mediation erforderlichen „geschützten“ Rahmen zu schaffen. Ein geschützter Rahmen in diesem Sinne bedeutet, die Schaffung eines Vertrauensverhältnisses, welches den Parteien erlaubt, sich dem Mediations- prozess sachlich und emotional zu öffnen und sich vom Mediator darin führen zu lassen. Das klingt logisch und einfach, ist aber in der Praxis aufgrund der individuellen Umstände einer Mediation oft nicht trivial. Jede Mediation ist schon allein aufgrund der unterschiedlichen Persönlichkeiten der Streitparteien anders. Umstände wie die emotionale und psychische Verfassung der Streitparteien (beispielsweise hochstreitige Parteien), der Eskalationsgrad des Konfliktes oder der Ausgangs- punkt der Mediation (beispielsweise angeordnet, ver- traglich oder ad hoc durch Parteien) machen jedes Ver- fahren einzigartig. Geschulte persönlich-kommunikative Kompetenzen verbunden mit Methodik in deren Anwendung sind daher grundlegend.

Zentrale persönlich-kommunikative Kompetenzen eines Mediators sind Empathiefähigkeit und die Fähigkeit sich in sein Gegenüber hineinzuversetzen, Achtsamkeit und eine mediative Haltung. Diese besteht darin, dass der Mediator die Verantwortung für den Mediationsprozess übernimmt, diesen lösungsorientiert führt und dabei gleichzeitig – hier ist die klassische Form der Mediation angesprochen – die Verantwortung über mögliche Lösungen allein den Parteien und deren Vertretern über- lässt. Zentral ist auch, dass der Mediator das Verfahren mit Sicherheit und Ruhe führt und den Parteien mit an die Situation angemessener Autorität dadurch Struktur und Sicherheit vermittelt.

«Die für die Mediation zentralen persönlichen Kompetenzen und deren Anwendung können nur teilweise durch Studium von Theorie und Methoden erworben werden.»

Besonders wichtig sind Übung und Praxis wie auch eine Offenheit für Selbsterfahrung und Persönlichkeitsbildung. Ebenso von Bedeutung für die Erlangung von geschulten persönlich-kommunikativen Kompetenzen ist regelmäßige Selbstreflexion mit Peers oder einem Supervisor.

2. Fachkompetenzen

Bei der Erlangung von Fachkompetenzen ist es vermeidlich einfacher, Qualifikation zu erlangen. Fachkompetenzen können durch Studium erworben werden, ohne dass der Mediator sich auf einer persönlichen Ebenen groß damit auseinandersetzten und einbringen muss.

Zentrale Fachkompetenzen sind u.a. Kommunikationsfähigkeit, Konfliktverständnis, Verhandlungstechniken, Prozessgestaltung und natürlich Kenntnis des Mediationsverfahrens. Hinzukommt das Verständnis über die Anwendbarkeit von Mediation in bestimmten Fachgebieten und entsprechende Fachkenntnis.

Kern der Fachkompetenzen eines Mediators ist das Mediationsverfahren mit den einzelnen Phasen (sowie Pre- und Post-Phasen des Verfahrens): Einführung, Themensammlung, Interessen, Optionen, Verhandeln, Vereinbaren. Ein geschulter Mediator kennt die Bedeutung jeder Phase wie auch seine unterschiedlichen Aufgaben und Rollen darin. Diese reichen von Prozess- führer und Verhandlungscoach bis zum Moderator. Ein Mediator sollte auch die Fähigkeit besitzen, die einzel- nen Phasen situationsgerecht anzuwenden. So fällt in einer hochstrittigen Trennungsmediation den Vorgesprächen vor der Mediation mehr Gewicht zu – es müssen u.U. mehrere Einzelgespräche geführt werden, bevor die Mediation mit einer gemeinsamen Sitzung beginnen kann – als in einer Wirtschaftsmediation, die von zwei Vertragsparteien gewünscht wird.

Bezogen auf die Kommunikationsfähigkeit ist die Fähigkeit und Anwendung von „aktiven Zuhören“ zentral. Darunter fällt das Verständnis von u.a. Frage- techniken, Paraphrasieren, Reflektieren, matching und mis-matching und auch die Kunst des Schweigens. Ein Mediator muss diese Techniken kennen und die Fähigkeit besitzen sie situationsgerecht anzuwenden.

Unter Konfliktverständnis fällt die Fähigkeit Ursachen und Dynamiken von Konflikten zu verstehen, Konfliktrhetorik zu (er-)kennen sowie auch deren psycho- logische Dimensionen (beispielsweise Machtspiele oder andere psychische Strukturen von Konfliktparteien).

Weiter bedarf ein qualifizierter und kompetenter Mediator eines bestimmten Feldwissens. So muss ein erfolgreicher Wirtschaftsmediator beispielsweise über ein Grundwissen über betriebswirtschaftliche und unternehmerische Zusammenhänge verfügen.

Obwohl, wie eingangs erwähnt, ein Mediator sich Fachkompetenzen im lerntheoretischen Sinn aneignen kann, bedarf es auch hier für den Schritt vom „Verstehen“ der Kompetenzen zu deren „Anwendung“ der Vertiefung in Form von Übung, Reflektion und praktischer Erfahrung. Wie bei den persönlich-kommunikativen Kompetenzen gilt am Ende auch hier, das man gewisse Erfahrung nicht erdenken kann, sondern erleben muss.

II. Fokus der Fachausbildung Mediation SAV

In der Fachausbildung Mediation werden die Kernkompetenzen alle sorgfältig in Theorie und Anwendung besprochen und anhand von Rollenspielen und Fallsimulationen geübt und vertieft. Die Vermittlung erfolgt interaktiv und die Teilnehmer sind aufgefordert sich aktiv einzubringen und zu beteiligen. Nach dem Motto „out of your comfort zone“ werden sie mit der Anwendung von persönlich-kommunikativen und fachlichen Kern- kompetenzen konfrontiert, damit sie Theorien und Methoden verinnerlichen können.

«Eine zentrale Bedeutung fällt der Rolle und Haltung des Mediators zu und den Besonderheiten der Rolle des Anwalts in der Mediation.»

Ein Anwalt kann als Mediator oder Parteivertreter agieren, was unterschiedliche Rollen und Funktionen darstellt. In beiden Fällen ist es grundlegend, dass der Anwalt sich über seine Rolle und Kompetenzen klar ist, die er in der entsprechenden Rolle mitbringen muss.

Die SAV Ausbildung (6 Module à 3 Tagen, total 120 Stunden + ca 120 Stunden: Vor- und Nachbereitung, Arbeitsauftrag, Präsentation einer Fallbearbeitung und Verfassung einer schriftlichen Facharbeit7) differenziert sich von anderen Mediationsausbildungen indem neben den Kernkompetenzen auch andere außergerichtliche Streit- beilegungsverfahren (ADR-Verfahren) wie strukturierte Verhandlungsführung, Schlichtung, Schiedsgerichtsbarkeit und Hybride Verfahren besprochen werden. Dabei wird aufgezeigt, wie mediative Techniken auch in anderen ADR-Verfahren angewendet werden können.

Die Ausbildung schließt eine dritte Ebene ein, die neben den Kernkompetenzen und den ADR-Verfahren die direkte Anwendung in Bezug auf verschiedene Rechtsgebieten umfasst. Experten erläutern, wie sie in ihrer Praxis mediativ arbeiten. Die Experten decken prozessierbare Streitigkeiten ab und erläutern die Anwendung, Vorteile und Chancen der Mediation in öffentlichen- und zivilrechtlichen Streitigkeiten und ins- besondere Familien-, Erb-, Straf- und Wirtschaftsrecht. Dazu gehört auch die Besprechung von anwendbarem Recht und Verträgen wie beispielsweise die New York – und Singapore Convention.

Die Kombination der Vermittlung der persönlich- kommunikativen und fachlichen Kernkompetenzen, der praxisnahen Vorstellung von ADR-Verfahren sowie deren Anwendbarkeit, Vorteile und Chancen in verschiedenen Rechtsgebieten macht die Fachausbildung Mediation SAV zu einer neuen und einzigartigen Ausbildung für Juristen. Durch die interaktive Vermittlung erfahren die Teilnehmer mediative Techniken, persönlich-kommunikative – und Fachkompetenzen, die sie bereits nach dem ersten Modul in ihre Praxis einbringen können.

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